Am 11.August 2023 stand für uns ein ganz besonderer Ausflug an: Das Museum der bildenden Künste (MdbK) in Leipzig.
Besonders deshalb, weil wir beide kunstbegeisterte Menschen sind und das MdbK mit seinen breitgefächerten Sammlungen und Ausstellungen genau unseren Kunstgeschmack treffen soll. Außerdem soll es, so haben wir im Vorfeld gelesen, Maßstäbe in barrierefreier Kunstvermittlung und barrierefreier bzw. rollstuhlfahrerfreundlicher Architektur setzen. Das Museum präsentiert sich auf der eigenen Homepage als Museum für Alle.
Das ist für uns natürlich mit besonderem Interesse verbunden, da wir immer auf der Suche nach Sehenswertem sind, was Björn so rollstuhlfahrerfreundlich wie möglich erleben kann- und Amelie gefällt das natürlich auch.
Wir wollten also checken, ob das Museum hält, was es verspricht.
Wir haben uns an einem Freitagmorgen von Halle aus auf den Weg gemacht und sind, unkompliziert, mit der S-Bahn vom dortigen Hauptbahnhof bis Leipzig zur Haltestelle Markt gefahren. Per Aufzug gelangen wir nach oben und standen dann mitten auf dem schönen Marktplatz. Danach sind wir noch 5 min. zu Fuß gegangen und schon befanden wir uns vor dem imposanten, modernen Museumsgebäude.
Das Museum gehört zu den größten und aktivsten Museen in Deutschland. Gegründet wurde es 1848 und der Neubau wurde 2004 auf dem ehemaligen Sachsenplatz eröffnet.
Vor uns erhebt sich nun ein fensterloser Quader, der an der Außenfassade mit einem transparenten Material gestaltet ist. Man kommt von zwei Seiten ins Gebäude herein, wir betreten das MdbK von der Katharinenstraße aus.
Als Eingang gibt eine große Glastür, die Björn mit einem Taster an einer Säule davor – ca. in einem Meter Höhe – automatisch öffnen konnte. Kurz dahinter öffnete sich automatisch eine zweite Tür mit und als wir durch beide Türen hindurchgingen, schließ sich eine eindrucksvolle, lichtdurchflutete Halle an, in der uns die Skulptur „Beethoven“ von Max Klinger anschaute. Nachdem wir an ihr vorbei, nochmals eine Tür per Taster, in angenehmer Höhe, bedienten, kamen wir schließlich im Erdgeschoss bzw. im Empfangs-/Kassenbereich des Museums an.
Es erwarteten uns hinter einer Theke sehr freundliche Mitarbeiter*Innen, die uns herzlich empfingen. Die Theke ist so konzipiert, dass selbst Björn, der ansonsten oft mal Schwierigkeiten hat, über Theken zu schauen, hier alles einsehen konnte und ein freies Sichtfeld hatte, um mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren. Gefiel uns!
Was uns auch gefiel, war die große, kontrastreiche Tafel mit den Preisen für den Eintritt ins Museum, direkt am Kassenbereich.
Wir waren nun total bereit, das Museum zu entdecken, doch zuvor wollten wir noch unsere Taschen und Rucksäcke abgeben, um sie nicht mit herumschleppen zu müssen. Dafür gibt es direkt hinter dem Empfangsbereich Schließfächer, von denen viele die schöne Eigenschaft haben, dass sie bodentief und damit sehr geräumig sind und gleichzeitig ihr Schließsystem in einer, für Rollstuhlfahrende, angenehmen Höhe haben.
Sachen verstaut und auf Richtung Aufzug, der sich, sehr gut sichtbar, am linken Ende des Erdgeschosses befand. Was Björn auf dem Weg zum Aufzug schon auffiel, war der sehr angenehm zu befahrende Untergrund.
Er meinte der geschliffene Beton, der als Bodenmaterial gewählt wurde, rolle sich „federleicht“ und „widerstandsfrei“. Am Aufzug angekommen, fiel uns die Ruftaste auf, die wiederholt in angenehmer Höhe für sitzende Menschen angebracht wurde. Als der Aufzug kam und sich öffnete, waren wir begeistert, da er am Eingang sehr breit war und sich im Inneren mit großzügig viel Platz präsentierte. Und wenn man als Rollstuhlfahrender von geräumigen Aufzügen spricht, dann meint man das auch so.
Das Bedienfeld im Inneren des Aufzuges übertraf dann erneut unsere Erwartungen, Hier fanden wir großflächige Tasten, die uns, außer der Etage, noch die Informationen gaben, welche Ausstellungen sich dort jeweils befinden + zusätzlich Infos zum Standort von WC, Kasse, Shop und Café. Wir empfanden diese Infos als eine sinnvolle Orientierungshilfe.
Das Museum hat, exklusive Erdgeschoss, vier Etagen, auf denen du auf den Etagen 1—3 unterschiedliche Dauerausstellungen aus verschiedenen kunsthistorischen Epochen erleben kannst.
Im Untergeschoss befinden sich Wechselausstellungen. Diese hoben wir uns für den Schluss unseres Rundgang auf.
Wir fuhren also als Erstes in die 1.Etage, in welcher Deutsche und Französische Kunst des 19. Jahrhunderts ausgestellt wurde.
Wir wurden von großzügigen Ausstellungsräumen, die ganz unterschiedlich farblich gestrichen waren, empfangen. Impressionistische Malereien von Claude Monet bis zu romantischen Gemälden von Caspar David Friedrich hingen an den farbenfrohen Wänden.
Und schließlich kamen wir an dem an, was wir gelesen hatten, dass es das MdbK hat und was wir unbedingt erleben wollten – ein [Hub]. Der Name „hub“ ist englisch und heißt Knotenpunkt.
Das MdbK hatte während unseres Besuches sechs [hubs], die in Benutzung waren (Stand August 2023).
Die MdbK [hubs] sind Vermittlungsstationen zum Hören, Sehen und Tasten. Jedes MdbK [hub] repräsentiert ein Kunstwerk. Sie bieten als unterfahrbare Tische Reliefs zum Tasten. Audiodeskriptionen sowie Texte in Leichter Sprache und auf Englisch sowie Videos in Deutscher Gebärdensprache vermitteln weitere Informationen.
Die Vermittlungsstationen sind Teil einer Haltung, bei der innerhalb des MdbK in allen Bereichen, Inklusion selbstverständlich mitgedacht wird.
Ziel ist es, eine offene und inklusive Institution zu entwickeln, die gleichberechtigte kulturelle Teilhabe ermöglicht. Die Vermittlungs-Stationen bzw. MdbK [hubs] werden in dieser Hinsicht noch durch niedrigschwellige und zielgruppenorientierte Bildungsformate sowie weitere, möglichst barrierefreie, Zugänglichkeiten im Haus ergänzt.
Die MdbK [hubs] wurden von Menschen mit unterschiedlichen Behinderungen mitentwickelt und -gestaltet, was deutlich macht, dass hier nach dem Motto „Nicht ohne uns, mit uns.“ gehandelt wurde und eben jene Menschen beim Entwicklungsprozess des Projektes von Anfang an dabei sein sollten.
Björn hat sich den [hub] „Die Neue Salome“ von Max Klinger zuerst angeschaut. Er repräsentiert eine Skulptur. Dadurch, dass er den edlen Holztisch komplett unterfahren konnte, kam er so nach wie möglich an die Informationen auf dem Tisch heran. Er konnte mit seinen Händen das Relief des Kunstwerkes nachfühlen. Außerdem bot ihm der [hub] die Möglichkeit, Informationen zum Kunstwerk und dessen Künstler aus nächster Nähe zu lesen. Mittels Kopfhörer, die seitlich am Tisch zu finden waren, konnte er sich die Infos auch anhören. Der [hub] bietet darüber hinaus die Möglichkeit, sich mit einem QR-Code weitere Informationen zum Kunstwerk zu holen.
Uns hat dieser erste [hub] mit all seinen Funktionen sehr gefallen. Er ist Menschen mit verschiedenen Einschränkungsarten eine großartige Chance, Kunst wahrzunehmen. Eine Skulptur in einen [hub] zu „übersetzen“ ist eine fantastische Sache, finden wir. Allen voran das Erfühlen der verwendeten Materialien für die Skulptur, ist uns in Erinnerung geblieben.
Nachdem wir unseren Rundgang auf dieser Etage beendet hatten, fuhren wir mit dem Aufzug in die zweite Etage, um uns europäische Kunst des 15.-18. Jahrhunderts anzuschauen.
Uns wurde nicht zu viel versprochen. In großzügigen Räumlichkeiten präsentierten sich uns sowohl Gemälde und Skulpturen holländischer Meister, als auch Marinemalerei und italienische Kunst. Mehrere Räume waren den Künstler*Innen und der Kunst Leipzigs im 18.Jahrhundert gewidmet, bspw. Anton Graff und F. A.Tischbein. Hierzu gab es, neben Gemälden aus der Zeit, sehr gut recherchierte und angenehm lesbare Informationen, die die Wände zierten.
Uns begegneten auch auf dieser Etage wieder zwei [hubs]: die „Allegorie der Erlösung“ von Lucas Cranach dem Jüngeren und das „Stillleben mit Blumen und Früchten“ von Rachel Ruysch.
Wie auch schon beim [hub] in der 1.Etage haben wir sie ausprobiert und für sehr gut befunden.
Schön fanden wir, dass mit dem [hub] zu Rachel Ruyschs Gemälde, das Werk einer Frau gewählt wurde. Frauen, die sich in der Kunst einen Namen machen konnten, waren, gerade zu dieser Zeit, sehr selten.
Auch die Ausstellungen der zweiten Etage hatten wir nach einiger Zeit gesehen und so blieb uns noch die dritte Etage mit Kunst aus dem 20.und 21.Jahrhundert. Hier gefielen uns beiden die expressionistischen Werke von Max Beckmann besonders gut. Eines seiner berühmtesten Werke, „Der Teppichhändler“, wurde hier als [hub] umgesetzt. Spannend hierbei war, wie das Relief des Werkes ausgearbeitet war.
Im weiteren Verlauf führten uns die Gänge in Räume mit Kunst aus den unterschiedlichen Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Jedes Jahrzehnt bekam mindestens einen Raum, der auch hier mit Informationen zur Kunst und zum Leben in der damaligen Zeit, vor allem in Bezug auf die Stadt Leipzig mit ihrer spannenden Entwicklungsgeschichte, bereichert wurde.
Wir sahen viele Werke von Künstlern, die in der ehemaligen DDR aktiv waren und Erfahrungen aus dem gesellschaftlichen und beruflichen Leben darin verarbeitet hatten.
Thematisch dazu passend, besuchten wir zum Schluss die derzeitige Sonderausstellung „Re-connect. Kunst und Kampf im Bruderland“.
Wir konnten uns nicht direkt etwas darunter vorstellen, doch der Ausstellungstitel weckte unsere Lust, mehr darüber zu erfahren.
Wir fuhren also ins Untergeschoss und als der Aufzug sich öffnete, kamen wir in einen großen, länglich-gezogenen und hellen Raum. Hier entdeckten wir beim Erkunden Malereien und Druckgrafiken von Künstler*innen aus Äthiopien, Ägypten, Kuba, Israel, Uruguay und Chile, die in den 1980er Jahren Studienaufenthalte und Stipendien an Kunsthochschulen der DDR hatten. All diese Länder waren sogenannte „Bruderstaaten“ der DDR aufgrund gemeinsamer ideologischer Weltanschauungen und Gesellschaftsnormen.
Kurze Lebensläufe ergänzten auf interessante Weise die künstlerischen Ausdrucksformen der Künstler*Innen.
Uns wurden somit auf verschiedenen Ebenen die jeweiligen Künstler*Innen sichtbar gemacht. Interessant war für uns auch zu erfahren, wer nach der Wende blieb oder wer wieder in das Heimatland oder ganz woanders hinging.
An den zentralen Raum schließt sich ein weiterer Raum an, dessen Ausstellungsinhalte sich auf einem Dokumentarfilm aus dem Jahr 1991 „Bruderland ist abgebrannt“, der wiederum eine Brücke zum Titel der Sonderausstellung schlägt,“ aufbauen. Werden in dem Film Erfahrungen vietnamesischer Gastarbeiter*Innen in der Vor-und Nachwendezeit erzählt, so gibt dieser zweite Teil der Ausstellung Zeugnis über das (Über-)Leben der Vertragsarbeiter*innen der DDR. Eindrucksvoll erfuhren wir über den alltäglichen Kampf von Menschen aus Vietnam, Angola und Mosambik, die vor allem nach der Wende, in einer oft ungewissen und ungesicherten Lebenssituation, tagtäglich mit Widerständen, Verboten und Rassismus bedroht waren.
Neben zahlreichen informativen Fakten auf Stellwänden, die über Themen wie geheime Arbeitsverträge und die umfangreiche Bespitzelung der Vertragsarbeiter*innen aufklären, sind zahlreiche Videos in den Raum eingebettet. Interviews mit Zeitzeug*innen sind dabei ergänzt um andere Formate, wie bspw. einen Youtube-Channel und fotografische Arbeiten des palästinensischen Fotografen Mahmoud Dabdoub, der Alltagsszenen vom Leben im Leipzig der 1980iger Jahre festgehalten hat.
Wir fühlten uns bewegt und oft bedrückt von dem, was wir in dem Raum über die Lebensumstände der jeweiligen Menschen erfahren haben.
In zwei weiteren Räumen sahen wir schließlich, in Form von Collagen und Installationen, (post-)migrantische Kunst Ostdeutschlands durch junge Künstler*Innen. Familienbiographische Aspekte verbinden sich mit gesellschaftlichen Aspekten, wie z.B. mit struktureller Gewalt und Marginalisierungsprozessen.
Der Titelteil „Re-Connect“ wird uns hier erst richtig bewusst. Kunst aus der DDR wird mit künstlerischem Ausdruck in der Gegenwart verbunden, genauso wie, so vermittelt es uns die Ausstellung, Menschen mit zivilgesellschaftlichem Engagement verbunden werden. Wir fühlen uns nach dem Rundgang definitiv emotional sehr mit der Ausstellung verbunden.
Aus inklusiver Perspektive hat uns die Ausstellung sehr gefallen. Auch wenn die ein oder andere Information, vor allem im zweiten Raum etwas zu hoch angesetzt war, so empfanden wir das Meiste als wunderbar zugänglich für Rollstuhlfahrende. Besonders positiv sind uns die Videoformate aufgefallen, die selbst in einer sitzenden Position sehr gut sichtbar gemacht wurden, oft mit unterfahrbaren Tischen.
Bevor wir das Museum verließen, haben wir die Behindertentoilette im Untergeschoss genutzt. Über eine Tür, die wieder mit einem elektronischen Taster, auf angenehmer Höhe, zu öffnen ging und der mit Braille-Schrift versehen war, kamen wir in eine gut ausgestattete und vor allem saubere Toilette. Sie war geräumig und hatte, neben Handgriffen an der Toilette, ein unterfahrbares Waschbecken, einen Abfalleimer sowie ein Notrufsystem.
Als wir wieder aus der Toilette herauskamen, fielen uns, am Treppengeländer daneben, Tastreliefs und Beschriftung in Braille-Schrift sowie eine intelligente Beleuchtung der Treppen-und Treppengeländerkonstruktion auf. Für sehbehinderte Menschen sind dies wertvolle Orientierungselemente.
Nun neigte sich unser Besuch im MdbK dem Ende zu. Wir fuhren zurück ins Erdgeschoss und schlenderten eine Runde durch den Museumsshop. Dort fanden wir eine kleine, aber feine Auswahl an schönen Kulturgeschenken vor. Wir kauften uns ein Plakat einer tollen Künstlerin namens Olga Costa. Ihre Ausstellung wurde Anfang des Jahres im MdbK als Sonderausstellung gezeigt und wir sind seitdem große Fans von ihr.
Um noch einmal alle Eindrücke Revue passieren zu lassen, setzten wir uns am Ende ins hauseigene Café des MdbK und unterhielten uns bei einer Limo über das Gesehene.
Wir beide fanden das MdbK hält eindeutig, was es verspricht. Wir erlebten das Museum als einen Ort, der auf Inklusion und gleichberechtigte kulturelle Teilhabe aller Menschen achtet und stets versucht, auf die verschiedenen Bedürfnisse aller behinderten Menschen einzugehen. Uns gefiel daher auch, dass Björn während der gemeinsamen Treffen öfter gefragt würde, was er im MdbK als verbesserungswürdig empfindet oder welches Wording er als respektvoll für sich ansieht. Wir spürten und spüren, dass es dem Team des MdbK eine Herzensangelegenheit ist, alle Menschen zu bedenken und das finden wir sehr menschlich und zugewandt! Wir kommen immer gerne wieder und legen es dir sehr ans Herz, auch mal im MdbK vorbeizuschauen, wenn du in Leipzig bist.
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